Vorspruch

Es eilt die Zeit und wechselt das Gewand.
Die Welt zeigt andere Formen und Gesichter.
Doch schaue ich von dieser Stätt ins Land,
so wird mir Sinn und Auge lichter:
Denn jene Berge, jene Wälder auf der Höh'
sie tragen immer noch die gleichen Kleider.
Und alle Lust und alles Weh
das gibt der Mensch durch die Geschlechter weiter.
Und immer noch tönt mir der Sang im Ohr
von Lieb und Leid und Scheiden müssen.
Ich sah der Welten großes Tor sich öffnen -
und mit neuen Farben schmücken.
Ich sah der Menschen langen, bunten Zug
sich streiten - und im Glücke sonnen:
Hier Liebe, Glaube - dort Betrug -
Mißgunst - Verrat aus gleichen Tiefen kommen.
Und tausend Jahre sind noch wie ein Tag
der gestern schied im stillen, müden Gange.
Doch alle Freude, Müh' und Plag'
blüht wieder auf im gleichen wohlbekannten Sange.
Zwar eilt die Zeit und wandelt ihr Gewand.
Geschlechter sind vergangen - neu geboren,
doch jenes Werk, das einst mit starker Hand
ein König schuf, ging immer uns verloren.
Heinrich der Finkler, nennt ihn die Geschicht',
saß oft am Vogelherd auf dieser Höhe.
Hier saßen Grafen, Fürsten zu Gericht
und leiteten des Sachsenlandes Wohl und Wehe.
Hier stand ein Kloster, wo in Glanz und Pracht
einst Papst und Bischof durch die Hallen gingen.
Hier fielen einst in wilder Bauernschlacht
die Scharen, die durch Abt- und Ritterhaß vergingen.
Doch immer schau´n die Berge noch ins Land.
Noch immer grünen, rauschen hohe Wälder.
Der Sämann wirft mit starker Hand
den Samen über braune Felder.
Wir seh´n der Sterne ewig gleiche Bahn
im Wechsel zwischen Tag und Nacht sich runden.
Wir sind die Mitte zwischen Wieg und Ahn',
sind mit dem All, dem Göttlichen verbunden.

(E. Füllgrabe)

- 3 -